DDR Jugend und Politik
Jugend in der Politik der DDR
In einem Baustein erfährst du, wie ein diktatorisches System agiert, wenn es die Kontrolle verliert. Und du lernst, Propaganda zu entlarven.
Bearbeitungszeit ca. 45 min.
Kl. 9/10
„Baumeister des Sozialismus“
Ostberlin, Hauptstadt der DDR 1974: Die DDR feiert ihr 25-jähriges Bestehen. In Paraden, Turnvorführungen der FDJ und Aufmärschen der Volksarmee werden die vermeintlichen Errungenschaften des sozialistischen Systems präsentiert. Doch der pompöse Schein trügt.
Deutschland ist nach wie vor politisch und räumlich geteilt. Berlin trennt als stummer Zeuge des Kalten Krieges eine steinerne Mauer. Der Bauern- und Arbeiterstaat kämpft mit einer Wirtschaftskrise. Versorgungsengpässe und Unzufriedenheit nehmen zu, die Bürger verlieren zunehmend den Glauben an den sozialistischen Traum, der einst mit großen Hoffnungen begann. Die internationale Isolation lastet schwer auf dem Staat. Der Staat soll wieder vorankommen. Die Hoffnung der SED ruht auf einer sozialen Gruppe – der Jugend.
In dem Modul erwarten Dich 3 Arbeitsschritte.
Jugend in der Politik der DDR
Die Jugend soll es richten. Sie steht verstärkt im Fokus der SED-Politik. In insgesamt drei Jugendgesetzen verankert die SED die Richtlinien ihrer Jugendpolitik. Welche Rolle sollte die DDR-Jugend nach dem Willen der SED einnehmen?
Aufgabe 1
-
Lies Dir das Jugendgesetz vom 28. Januar 1974 einmal komplett durch.
Klappe dazu den Materialteil rechts auf.
Die Jugend in der DDR wurde gesetzlich zur aktiven Mitgestaltung des sozialistischen Staates verpflichtet, während sie in der BRD gesetzlich garantierte Freiheiten besaß. Folgende Aussagen sind entlehnt aus den Gesetzen der beiden Staaten. Welche Aussage lässt sich welchem Staat zuordnen?
Aufgabe 2
-
Ziehe die Aussagen in das jeweils passende Feld.
Das war nicht ganz richtig. Du hast noch5Versuche!
Das war nicht ganz richtig. Du hast noch4Versuche!
Das war nicht ganz richtig. Du hast noch3Versuche!
Das war nicht ganz richtig. Du hast noch2Versuche!
Das war nicht ganz richtig. Du hast noch1Versuche!
Das war leider auch nicht richtig. Schade!
Prima! Alles richtig gelöst!
Das ist die richtige Antwort.
Der Staat hat hohe Ansprüche an die Jugend. Er stilisiert sie zu den Hoffnungsträgern der sozialistischen Zukunft. SED-Politiker preisen die Jugend als die „Baumeister des Sozialismus“ – ein Titel der Ehre. Aber: Wie wurden Jugendliche gesehen, die nicht die sozialistischen Ansprüche erfüllen wollten.
In der Zeitung "Neues Deutschland" erscheint 1965 ein Artikel. Dort räumt die SED ein, dass es Jugendliche gibt, die sich nicht dem Sozialismus verpflichteten. Das wäre ein merkwürdiges Eingeständnis einer Diktatur, die ansonsten behauptet, die Kontrolle über die Gesellschaft zu besitzen. Es steckt also etwas anderes dahinter als Selbstkritik.
Aufgabe 3
-
Lies den Artikel einmal aufmerksam durch.
-
Markiere dann die zentralen Begriffe, mit der die DDR-Jugend hervorgehoben wird und die Begriffe, mit denen die unangepassten Jugendlichen charakterisiert werden.
Aufgabe 4
Die SED verwendet in diesem Artikel ein bekanntes Propagandamittel, sie verwendet die Kontrasttechnik. Die DDR-Jugend wird zunächst idealisiert, dann durch die negative Darstellung der „Gammler“ umso stärker ins rechte Licht gerückt.
-
Welche Wirkung soll bei wem erzielt werden? Beantworte die Frage in 2-3 Sätzen.
In der DDR spielte die Jugend eine zentrale Rolle in der Selbstdarstellung des Staates. Doch die SED fürchtete jede Form der Abweichung. Sie versuchte gezielt, Meinungen, Einstellungen und Verhalten durch sprachliche und visuelle Mittel zu beeinflussen - einseitig, verzerrt und emotional: Sie arbeitete mit Propaganda.
Propaganda funktioniert, indem sie Informationen auswählt, übertreibt oder weglässt, um ein bestimmtes Weltbild zu vermitteln. Die Kontrasttechnik hast du bereits herausgearbeitet. Wie und mit welchen Zielen arbeitete die DDR-Propaganda hier noch?
Aufgabe 5
-
Markiere Passagen im Text, die das Kriterium:
Starke Abwertung/ Vergiftete Sprache erfüllen. -
Welche Wirkung soll mit dieser Sprache im Artikel erzielt werden? Beantworte die Frage mit Bezug auf Textbeispiele in etwa 3 Sätzen.
Aufgabe 6
-
Markiere Passagen im Text, die das Kriterium:
Übertreibung und Klischees erfüllen. -
Welche Wirkung soll mit dieser Sprache im Artikel erzielt werden? Beantworte die Frage mit Bezug auf Textbeispiele in etwa 3 Sätzen.
Aufgabe 7
-
Markiere Passagen im Text, die das Kriterium:
Feindbildkonstruktion erfüllen. -
Welche Wirkung soll mit dieser Sprache im Artikel erzielt werden? Beantworte die Frage mit Bezug auf Textbeispiele in etwa 3 Sätzen.
Der Artikel diente nicht der Information, sondern der sozialen Disziplinierung: Er grenzt „gute“ Jugendliche von „abweichenden“ ab, um Normen zu festigen. Gleichzeitig verlagert er die Schuld für Jugendprobleme nach außen – auf westliche Einflüsse. Damit wird die SED von jeglicher Verantwortung für Unzufriedenheit oder Protest freigesprochen.
Die aggressive Sprache zeigt, dass die DDR-Führung Angst hatte, die Jugend zu verlieren – und versuchte, durch öffentliche Diffamierung Kontrolle zurückzugewinnen. Der Artikel erfüllt damit zwei Funktionen: Loyalität erzeugen und Abweichung stigmatisieren.
Der Artikel aus der DDR zeigt, wie politische Macht durch Sprache gefestigt werden soll: Eine klare Abgrenzung zwischen „guten“ und „abweichenden“ Jugendlichen wird konstruiert, um Kontrolle zu sichern und Verantwortung selbst nicht tragen zu müssen. Auch heute bedienen sich populistische Bewegungen ähnlicher Muster – sie zeichnen ein idealisiertes Bild des „wahren Volkes“ und grenzen davon bewusst Gruppen ab, die als „Störer“ oder „fremde Einflüsse“ dargestellt werden. Solche Strategien arbeiten mit Vereinfachung, Emotionalisierung und der Wiederholung feindlicher Bilder. Wie damals wird die Realität verzerrt, um Zustimmung zu erzeugen und politische Komplexität zu vermeiden. Die Mechanismen haben sich nicht verändert – nur die Begriffe und Medien sind heute andere.
Eine kurze Recherche nach radikalen Parteien oder populistischen Politikern dürfte reichen, um einen Text(-ausschnitt) zu erhalten, den du entlarven kannst.
Aufgabe 8
-
Recherchiere kurz einen populistischen Text und kopiere den Herkunftslink in das Textfeld unten.
-
Analysiere den Text nach zwei der bekannten Kriterien: Kontrasttechnik, vergiftete Sprache, Übertreibung/ Klischees oder Feindbildkonstruktion.
Q1: Jugendgesetz der DDR vom 28. Januar 1974
In der Deutschen Demokratischen Republik stimmen die grundlegenden Ziele und Interessen von Gesellschaft, Staat und Jugend überein. Geführt von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, haben die Arbeiterklasse, alle Werktätigen und die Jugend den Staat […] geschaffen. Gemeinsam gestalten sie die Deutsche Demokratische Republik […].
Die sozialistische Gesellschaftsordnung […] garantiert der Jugend ihre entscheidenden Rechte. Die […] Grundrechte, […] die politischen Rechte, das Recht auf Arbeit […] sind in der Deutschen Demokratischen Republik seit langem Gesetz und gesellschaftliche Praxis.
Die entwickelte sozialistische Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik mitzugestalten […] das sind revolutionäre Aufgaben der heutigen Jugend. Das ist […] ihre grundlegende Pflicht. […] Alles zu tun für die Sicherung des Friedens, für das Wohl des Menschen, für das Glück des Volkes, für die Interessen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen - darin bestehen Sinn und Inhalt des Lebens der Jugend.[…]
I. Die Entwicklung der Jugend zu sozialistischen Persönlichkeiten
§ 1. (1) Vorrangige Aufgabe bei der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft ist es, alle jungen Menschen zu Staatsbürgern zu erziehen, die den Ideen des Sozialismus treu ergeben sind, als Patrioten […] denken und handeln, den Sozialismus stärken und gegen alle Feinde zuverlässig schützen. […]
(2) Aufgabe jedes jungen Bürgers ist es, auf sozialistische Art zu arbeiten, zu lernen und zu leben, selbstlos und beharrlich zum Wohle […] der Deutschen Demokratischen Republik […] zu handeln, den Freundschaftsbund mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Bruderländern zu stärken und für die allseitige Zusammenarbeit der sozialistischen Staatengemeinschaft zu wirken. […]
Gesetz über die Teilnahme der Jugend der Deutschen Demokratischen Republik an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre allseitige Förderung in der Deutschen Demokratischen Republik v. 28.01.1974.Q2: Ausschnitt aus der Zeitung „Neues Deutschland“
Freilich ist unsere Jugend unterschiedlich. Die einen sind Draufgänger, andere vorsichtig. Es gibt ganze Kerle und Kleinmütige. Helden und Spießbürger. Und dennoch ist ihnen eines gemeinsam: Sie, die oft nicht älter als ihr Staat, stehen zu ihrem Staat, sind ein Teil von ihm und repräsentieren ihn. […] Das ist das moralische Antlitz unserer Jugend: sauber, selbstbewußt, stolz – auf ihre Leistungen, auf ihr Wissen, auf ihre Verantwortung, die man ihr aufgetragen hat. Aber es gibt einiges, was dabei stört. […]
Die Jugend unserer Republik ärgert sich auch über „Mitesser“, die das Antlitz der Jugend verunstalten und den weit über die Grenzen der DDR bekannten guten Ruf unserer jungen Menschen beflecken: die Amateurgammler. Das sind junge Menschen, die Helden zu sein wähnen, indem sie die Gammler westdeutscher Prägung nachahmen, die dort auf Straßen und Plätzen herumlungern, herumpöbeln und herumrempeln.
Ihr Anblick bringt das Blut vieler Bürger in Wallung: verwahrlost, lange zottlige, dreckige Mähnen, zerlumpte Twister-Hosen. Sie stinken zehn Meter gegen den Wind. Denn Waschen haben sie „freiheitlich“ aus ihrem Sprachschatz gestrichen. Und von einer geregelten Arbeit halten sie meisten auch nichts.“
Jugend in der Politik der DDR
Baustein 1ist geschafft!
Lass deinen Lehrer wissen, dass du diese Lektion abgeschlossen hast, indem du auf die Schaltfläche rechts klickst.